Yoshukai Katas

Die Geschichte der Kata im Yoshukai

Die Kata, im Sinne der stilisierten Form eines Kampfes gegen einen oder mehrere reale oder imaginäre Gegner, offenbart das Wesen bzw. den Geist des Übenden. Die Kata ist eine Folge von festgelegten Manövern mit dem Ziel,  bestimmte Techniken über einen langfristigen Prozess zu verinnerlichen. Diese festgelegten Bewegungsabläufe können alleine oder unter den wachsamen Augen eines Lehrers geübt werden. In den alten Zeiten diente die Kata als Trainings- und Übungsmethode für den Fall einer großen Entfernung der Lehrer von ihren Schülern. Weiterhin konnte die Kata dort als Übungsmethode eingesetzt werden, wo die Ausübung von Karate gesetzlich verboten war. Die Kata „versammeln" sämtliche Techniken einer Kampfkunst. Die Techniken und Bewegungsabläufe einer Kata geben dem Schüler Einsicht in die fortgeschrittenen Methoden zur Überwältigung eines Gegners.

Die Laufwege vieler Kata folgen einem linearen oder sternförmigen Muster, ähnlich den Buchstaben I, H oder X. Jede Kata beinhaltet verschiedene Stände, die für die jeweiligen offensiven bzw. defensiven Techniken von Vorteil sind. In der Kata werden die Tritte, Blöcke und Schläge in geraden, harten oder schnellen, geschwungenen Bewegungen mit hoher Präzision ausgeführt. Einige Techniken werden dabei durch eine spezielle, intensive Atmung unterstützt. Diese Techniken vermitteln uns die Lehren der alten Meister.

Es gibt im Wesentlichen zwei Kata-Gruppen: Shuri-te und Naha-te. Bei vielen der fortgeschrittenen Kata finden sich in der Übersetzung numerische Verweise: Seisan (13 Hände), Ni Sei Shi (24 Stufen), San Shi Ryu (36) und San Chin (3 Schlachten). Die exakte Beziehung zwischen den Bedeutungen dieser Namen und den in der Kata verwendeten Techniken wird von vielen Meistern der Kampfkunst kontrovers diskutiert. Der  Großteil der japanischen Karateformen wurde  entweder direkt von den ursprünglichen Meistern aus Okinawa überliefert oder aber zumindest durch diese inspiriert. Unser Karatestil ist aus dem Chito-ryu und dem Goju-ryu hervorgegangen.

Jeder Schüler muss den Hintergrund einer Kata verinnerlichen. Ansonsten würde seine Darbietung auf eine sinnentleerte Bewegungskombination reduziert. Das Verständnis über den lehrreichen Inhalt einer Kata unterscheidet den Anfänger von dem Fortgeschrittenen. Es ist wichtig zu verstehen, warum die letzte Bewegung in einer bestimmten Form ausgeführt wurde, bevor man sich der nächsten Bewegung oder Technik zuwendet. Die Kata lehrt sowohl versteckte als auch offensichtliche Techniken, beinhaltet eine bestimmte Lehre und eine Form der Meditation. In unsere Stilrichtung gibt es vier zentrale Kata, die im Braun- und Schwarzgurtbereich unterrichtet werden: Seisan, Sochin, Ten Shin und Bassai.

Weißgurt

Das Studium der Kata beginnt mit grundsätzlichen Trainingsformen und dem Verständnis von Ständen, Blöcken und Angriffen unter Verwendung einer korrekten Atemtechnik zur Leistungsmaximierung. Unsere Anfänger beginnen mit den 27 Techniken und der Zen Shin Ko Tai. Ein neuer Schüler beginnt mit dem weißen Gürtel, gefolgt von den Farben Gelb und Orange.

27 Techniken

Diese grundlegende Trainingsform verwendet verschiedene Armtechniken, um den Anfänger mit der korrekten Ausführung von Blöcken und Angriffstechniken vertraut zu machen. Jede Technik wird zunächst mit links und anschließend mit rechts ausgeführt. Auf grundsätzliche Blocktechniken folgen Angriffe gegen imaginäre Gegner zu allen Seiten des Übenden. Der Schüler wird mit dem Drehkraftmoment aus der Hüfte Vertraut gemacht, während er aus einem neutralen Stand, dem uchi hachiji dachi (Knie und Zehen sind in einem Schulterbreiten Stand leicht eingedreht), heraus arbeitet.

Zen Shin Ko Tai

Diese Kata lehrt den Schüler sich im zen kutsu dachi -Stand vorwärts und rückwärts zu bewegen und gleichzeitig einen Gegner zu schlagen, sowie Blöcke und Schläge nach einer Rechts- bzw. Linksdrehung auszuführen. Gleichzeitig ist dies die erste Kata, die den seitlichen Fußstoß einführt. Die Kata spiegelt die Bewegungen eines imaginären Gegners.

Grüngurt

Grüngurte lernen die H-Formen, die Shi Ho Hai und Gega Sai. Es gibt insgesamt 4 H-Formen, die jeweils durch den Laufweg eines H auf dem Boden gekennzeichnet sind. Diese Formen können über vielerlei Erscheinungsformen bis in die Okinawa-Schule des vorletzten Jahrhunderts zurückverfolgt werden. Die H-Formen mit ihren Bewegungsmustern, die einfacher als die der Kata der fortgeschrittenen Schüler sind,  wurden dort speziell für die Schüler im Anfangsstadium eingeführt.

H-Form 1

Diese Form basiert auf dem vorwärts ausgerichtetem Stand des zen kutsu dachi sowie Blöcke und Schläge zur Körpermitte. Die letzte, in allen 4 H-Formen identische Bewegung, ist ein Schlag/Griff mit der linken Hand, gefolgt von einer schnellkräftigen Drehung des Hüftgelenkes nach links, wodurch der Gegner zu Boden geworfen wird. Die Bewegung wird mit einem Schlag der rechten Faust zum Gegner abgeschlossen.

H-Form 2

Diese Form beinhaltet Blöcke und Schläge zum Kopf des Gegners aus dem vorwärts ausgerichtetem Stand. Die Laufwege folgen wieder einem H.

H-Form 3

Diese Form, führt den unerschütterlichen Stand fudo dachi mit einem tiefen Block, sowie den gespreizten shiko dachi mit Schlägen zur Körpermitte ein. Die neuen Stände machen diese dritte Form zur schwierigsten der 4 H-Formen und erfordern ein hohes Maß an Training.

H-Form 4

Bei gleichen Laufwegen wie zuvor wird in dieser Form wieder der fudo dachi mit einem tiefen Block angewendet, aber auch der gerade Fußtritt nach vorne in Kombination mit dem geraden Fauststoß aus dem zen kutso dachi eingeführt.

Shi Ho Hai

„Der Kampf in die 4 Himmelsrichtungen" geht zurück auf das Jahr 1828, in dem die Shi Ho Hai zum ersten mal Chinesischen Beamten bei einem Besuch des königlichen Hofes von Okinawa vorgeführt wurde. Die 4-fache Körperdrehung zu Beginn der Kata demonstriert die Nutzbarkeit des neutralen Standes (uchi hachiji dachi) bei einem explosiven Hüfteinsatz, die dem Schüler besonders kraftvolle Fauststöße erlauben. DieseKate findet sich nur in Karatestilen, die aus dem Chito-ryu Karate erwachsen sind.

Gega Sai

Gega Sai bedeutet soviel wie „Zerstören". Diese Kata wurde von Chojun Miyagi aus dem Gojo-ryu entwickelt und von Shuri-te beeinflusst, um diesen Stil in den höheren Schulen Okinawas bekannt zu machen. Die Kata verbindet Tritte mit Blöcken, Hieben und Stößen in verschiedene Richtungen. Dies ist die letzte Kata auf Grüngurtniveau.

Braungurt

Braungurte lernen die Kata Seisan bis Sochin, deren kompliziertere Fußarbeit auf multiple Gegner ausgerichtet ist. Als Braungurt lernen die Schüler fortgeschrittenere Kombinationen in verschiedenen Winkeln zum Gegner. Auf diesem Niveau verfügen die Schüler bereits über ein ausgeprägteres Verständnis gegenüber Geschwindigkeit, Timing und Krafteinsatz.

Seisan

Seisan bedeutet übersetzt „13 Hände". Ursprünglich kommt die Kata aus der Provinz Fujian in China. Die Seisan wird in Okinawa seit über 200 Jahren angewendet. Seit ihrem Ursprung wurden verschiedene Versionen der Seisan entwickelt und praktisch jeder Karatestil verwendet diese in seinem Training. Die Version im Yoshukai stammt entweder von Seisho Arakaki (1840-1920) oder von Chotoka Kyan (1870-1945), der sie wiederum von Bushi Matsumura, einem Meisterlehrer und Personenschützer am königlichen Hof von Okinawa, gelernt hat. Jahre später lehrte Arakaki die Seisan einem jugendlichen Schüler namens Tsuyoshi Chinen (Matsumuras Enkel), der seinen Namen später in Dr. Chitose änderte.

Diese Kata lehrt den Schüler in den Angriff eines Gegners hineinzubrechen und dessen Stabilität zu zerstören, während er selbst eine starke Grundstellung einnimmt. Seisan kombiniert geradlinige Vorwärtsattacken mit Bewegungen aus der Angriffslinie des Gegners heraus, um so einen Vorteil hinsichtlich Distanz und Timing zu erlangen. Im 19. Jahrhundert wurde die Seisan geübt um eine stimmige Körperhaltung zu erlangen und war in vielen Karatstilen die erste zu erlernende Kata. Mit der Seisan wurden sowohl „weiche" als auch „harte" Techniken eingeführt. Diese Kata entstammt der Shuri-te Gruppe und ist Yoshukais erste Kernkata.

Ni Sei Shi

In der Übersetzung „Die 24 Stufen" - Arakaki brachte Dr. Chitose auch die Ni Sei Shi bei. Ebenso wie die Seisan wird Ni Sei Shi von vielen traditionellen Karatstilen verwendet. Die Atmung und Konzentration werden in dieser Kata überprüft. Die Kata entstammt der Naha-te Gruppe. Der Ursprung der Bezeichnung „24 Stufen" ist ungewiss.

Ro Hai

Ro Hai bedeutet der „Weiße Fischreiher". Der Name der Kata lässt sich auf die in ihr vorkommenden Kranichstände zurückführen. Die Kata der Ro Hai Serie (Ro Hai Sho und Ro Hai-Dai), eine Tomari Kata von Matsumora Kosasku, sind relativ kurze Kata mit Wurf- und Fegetechniken. Aufgrund ihrer Seitwärtsbewegungen sind die Ro Hai Kata schwer zu erlernen, obwohl sie weder besonders lang noch komplex sind.

Sochin

„Die Affen des Friedens" oder „Die Männer des Friedens" - Sochin kommt aus Fujian, China und wurde ursprünglich von Seisho Arakaki aus dem Dorf Naha in Okinawa entwickelt. Der Laufweg der Sochin beschreibt ein kreuzmäßiges Muster auf dem Boden und beinhaltet Techniken und Konter für den Nahkampf. Der Wechsel der Stände ist der Schlüssel zur effektiven Anwendung dieser Kata. Der Schüler muss während der Sochin ständig auf seine Balance achten und diese gut ausrichten. Der Bezug zu Affen oder Männern des Friedens in der Übersetzung der Kata rührt wahrscheinlich von ihrem chinesischen Ursprung her und verweist unter Umständen auf die Mönche des Shaolin Tempels. Sochin ist aus der Naha-te Gruppe. Die Sochin ist unsere zweite Kernkata.

Schwarzgurt

In den fortgeschrittenen Schwarzgurt-Kata werden die Attacken direkt auf Vital- und Druckpunkte ausgerichtet. Zirkuläre Abwehrtechniken und peitschende Attacken der Hände lehren den Schüler mehrere Gegner auf einmal schnell kampfunfähig zu machen. Die alten Meister betteten die geheimen Techniken ihres einzigartigen Systems in ihre Kata ein. Jede Kata beinhaltet eine signifikante Anzahl geheimer Techniken oder okuden waza, die dem nicht eingeweihten Beobachter verborgen bleiben. Die meisten der wirklich gefährlichen, fortgeschrittenen Routinen sind absichtlich versteckt. Als Schwarzgurt ist ein tiefes Verständnis bezüglich Strategie und Taktik zur passenden Entschlüsselung der Kata notwendig.

Ten Shin

„Drehender Körper" - ein einfaches Kreuzmuster der Laufwege versteckt die tatsächliche Komplexität dieser Kata. Ten Shin konzentriert sich auf die kraftvolle Koordination von Hüftdrehung und Fauststößen. Der Schlüssel zur Kraftmaximierung der Fauststöße liegt in dem Übergang vom hasami dachi (Scherenstand)zum zen kutso dachi. Ten Shin lehrt sehr praktikable Strategien zur Lösung aus extrem nahen Distanzen und entsprechenden Kontertechniken. Ten Shin ist unsere dritte Kernkata.

Mu Gen

Wörtlich übersetzt „Unendlich", wurde diese Kata ursprünglich als Sai Kata entwickelt. Die Inspiration zur Mu Gen Kata wurde als Erweiterung einer unendlichen Kraft durch ableitende Blocktechniken übersetzt. Bei der Entwicklung dieser Kata legte Mamuro Yamamoto wieder die H-Form zu Grunde, wobei die Betonung auf diverse Einsätze der Handflächenkante als aggressiver Block zur Ablenkung der Attacken der Gegner liegt.

Bassai

„Die Erstürmung der Burg" oder „Die Durchdringung der Verteidigung" - Bassai ist die am häufigsten praktizierte aller bekannten Kata. Die meisten Kampfkünstler werden bis zum Erwerb des schwarzen Gürtels eine der Versionen der Bassai lernen. Die im Yoshukai verwendete Version stammt von Kyan. Kyan hat diese Kata in dem Dorf Tomari von Meister Roken Oyadomari gelernt. Es wird angenommen, dass die Bassai eine der ältesten Kata aus Okinawa ist. In der Bassai lernt der Schüler Ausweichbewegungen, Blöcke und Konter um auch aus deutlicher Bedrängnis siegreich hervorzugehen. Die Kata entspringt der Shuri-te Gruppe und ist unsere vierte Kernkata.

Chinto

„Der Kampf gegen den Osten" oder "Der Kampf gegen Techniken aus dem Osten" - Es wird vermutet, dass der Begriff Chinto der Name eines chinesischen Seefahrers ist, der mit Bushi Matsumura befreundet war. Unsere Version dieser Kata stammt von Kyan und wurde in der Form adaptiert, dass Techniken, die mehrfach auftraten, reduziert wurden. Daher ist unsere Version kürzer als die vieler anderer Stile. Der enge, gerade Laufweg ist charakteristisch für die Chinto. Chinto ist eine fortgeschrittene Kata, die das ‚Trappen‘ und Brechen der Hände des Gegners lehrt. Sie ist sowohl in der Shuri-te- als auch in der Tomari-te­-Tradition zu finden.

San Shi Ryu

„36" - Eine kruze aber fortgeschrittene Kata aus Fujian, China. Die San Shi Ryu beinhaltet neben der Seisan und der Bassai einige der schönsten Techniken. San Shi Ryu ist in verschiedene Abschnitte eingeteilt, die sich mit mehreren Gegners, Wurftechniken und der Anwendung des Speerstiches mit der Hand (nukite) auseinandersetzt. Der Rhythmus dieser Kata variiert. San Shi Ryu stammt aus der Naha-te Gruppe.

Ku San Ku

Ku San Ku wurde 1756 durch den chinesischen Beamten Kung Shang K'ung bei seinem Besuch des königlichen Hofes in Okinawa inspiriert. Mit Ku San Ku wurden einige  chinesische Kampf- und Ringtechniken in Okinawa eingeführt und in der Kata integriert. Als eine der ältesten, heute noch ausgeübten Kata überhaupt, gibt es viele Variationen der Ku San Ku i ganz Okinawa und Japan. Die Kata basiert auf gerade Laufwege und beinhaltet schnelle Gleitschritte und sichelförmige Fußblöcke. Ku San Ku beinhaltet mehrere praktische Techniken zur Selbstverteidigung.

Ryu San

„Drachenberg" - Es wird angenommen, dass diese Kata von Hanashiro entwickelt wurde, der sie wiederum von dem chinesischen Meister Gogenki - einem Anhänger der chinesischen Schule des „Weißen Kranich" - gelernt hat. Dies ist eine sehr seltene Kata, die nur in wenigen Kampfkunststilen zu finden ist. Die Bezeichnung „Drachenberg" impliziert die peitschende Bewegung eines Drachenschwanzes. Dies ist eine der wenigen Kata im Yoshukai, die den Kranichstand verwendet. Ryu San entstammt der Shuri-te Gruppe.

San Chin

„Drei Schlachten" - Eine Kata der Naha-te Gruppe aus der Provinz Fujian in China. Der Schwerpunkt der San Chin liegt in der Atmung, der Kraft und einem starken Stand.  Die Bezeichnung „Drei Schlachten" impliziert, dass Schüler, die diese Kata beständig üben, die Trennung zwischen Gedanke, Körper und Geist überwinden und ihre grundlegenden Bestandteile vereinen können. Der sanchin dachi, oder auch Sanduhrstand, wird verwendet, um eine starke, sehr stabile Kata zu entwickeln, in der eine intensive Atmung und ausgeprägte Körperspannung das Chi mobilisiert. Ursprünglich wurden die stoßenden mit offenen Händen ausgeführt. Heute jedoch werden in den meisten Stilen Fäuste bevorzugt. Die heutigen Versionen dieser Kata sind kurz und einfach. Aufgrund der extrem hohen körperlichen Anstrengung ist San Chin nur schwer zu perfektionieren. San Chin dient der persönlichen Entwicklung von innerer Kraft und Konzentration.